Deine Schilddrüse will heilen.

Ganz ehrlich: Ich habe lange gebraucht, bis ich das konnte. Als ich meine Diagnose bekommen habe, war ich einfach nur wütend auf dieses kleine Organ, um dessen Funktion ich mir vorher noch nicht einmal besonders viele Gedanken gemacht hatte. Was fiel dem kleinen Ding ein, sich einfach so zu entzünden, meinen Hormonhaushalt durcheinander zu wirbeln, mein Leben auf den Kopf zu stellen und alle möglichen Zustände hervorzurufen?! Und überhaupt: Wie konnte so ein winziges Ding sich erdreisten und einen so gewaltigen Einfluss auf meine Stimmung nehmen, dass ich zwischen Panikattacken und Depression, himmelhochjauchzend und zutodebetrübt hin und hergerissen wurde?

Meine ersten Gefühle meine kranke Schilddrüse betreffend waren einige Jahre alles andere als freundlich und mitfühlend. Erst als eines meiner Kinder krank wurde, hatte ich plötzlich eine Erkenntnis. Sein Geschwisterchen beobachtete mich, wie ich mich liebevoll um mein krankes Kind kümmerte, ihm fürsorgliche Pflege und Zuwendung angedeihen ließ. Und dann fiel der alles verändernde Satz: „Mami, deine Schilddrüse ist auch so krank, um die musst du dich auch mal kümmern…“ Mir schossen die Tränen in die Augen, denn mir wurde plötzlich bewusst, welche Ansprache ich dem kranken Organ zugemutet hatte. Mein Kind hatte ja Recht! Wie war ich nur mit mir selbst umgegangen?

Das Bild von der Fürsorge um ein krankes Kind hat mir sehr geholfen. Ich machte mir immer wieder klar, dass mein Körper heilen will. Und ich begann, liebevoll in Gedanken mit meiner Schilddrüse zu reden. Es war ein längerer Weg, bis ich voller Liebe und Fürsorge an meine kranke Schilddrüse denken konnte. Er begann mit einem inneren Friedensvertrag, ging über Akzeptanz und endete in Selbstliebe. Dieser Prozess hat mir sehr geholfen, gesund zu werden und das Vertrauen in meinen Körper zurückzugewinnen.

Wie geht es dir gerade? Wie ist deine innere Ansprache mit deiner erkrankten Schilddrüse? Betrachtest du sie als Freund oder als Störenfried?

Rette deine Schilddrüse

Achtung: Realtalk! Es scheint so einfach zu sein und verspricht die Lösung des Problems: Raus mit der erkrankten, überdrehten Schilddrüse und einfach für den Rest des Lebens eine Tablette schlucken und kein Morbus Basedow mehr haben. (Oder eine Radio-Jod Therapie machen und ebenfalls lebenslang Tabletten schlucken.) Auch mir wurden diese Lösungen angeboten, als erkrankte. Immer in Furcht vor der Augenbeteiligung und an den Symptomen der Krankheit leidend, scheint die OP und die Tablette das geringere Übel zu sein.

Keine Frage: Es gibt Fälle, da ist so ein Vorgehen absolut gerechtfertigt. Da braucht es die Schulmedizin mit all ihrer Technik und all ihrem Wissen, um das Leben und die Gesundheit eines Menschen zu erhalten.

Doch mein Eindruck ist, dass diese scheinbar einfache Lösung auch für Fälle herangezogen wird, bei denen es möglich wäre, zunächst zuzuwarten, mit Schilddrüsenblockern zu arbeiten und zu versuchen, den Körper sanft und ganzheitlich zur Heilung anzuregen. Denn dieser Weg braucht Zeit, Geduld, gegenseitiges Vertrauen von Arzt und Patient und erfordert die Mitarbeit des Erkrankten.

Ich habe diesen Weg gewählt, weil es eine leise, zweifelnde Stimme in mir gab, die sich fragte, ob ein Organ, dass Mutter Natur in ihrer unendlichen Intelligenz hat wachsen lassen wirklich durch eine Tablette zu ersetzen sei?

Die Schilddrüse stellt über 30 verschiedene Botenstoffe her, arbeitet mit anderen Drüsen zusammen, fühlt jeden Tag sehr fein in uns hinein wieviel Schilddrüsenhormone wir gerade brauchen und passt die Dosis unserem täglichen Bedarf sehr genau an. Und das soll alles eine Tablette können, die nur ein einziges Hormon in immer gleicher Dosis enthält?

Die Schilddrüsenhormone sind nicht nur für unseren Stoffwechsel zuständig, sondern auch für unsere Lebensfreude, sie wirken auf das Gehirn und die Gedächtnisleistung. Sie sind es, die unser Glas halb voll oder halb leer erscheinen lassen. Und wenn es medizinisch vertretbar ist, sollten wir alles tun, um dieses wichtige Organ zu erhalten!

Jede 30. Frau leidet an Morbus Basedow und den Folgen

Schilddrüsenerkrankungen sind in Deutschland eine Volkskrankheit, die Frauen deutlich häufiger betrifft als Männer. Jede 30. Frau leidet an Morbus Basedow! Und sogar jede 10 an Morbus Hashimoto.

Ich habe erstmal geschluckt, als ich diese Zahlen gelesen habe. Jede 30. Frau da draußen macht das durch, was ich durchgemacht habe. Da stellt sich schon die Frage: Warum?! Warum so viele Frauen? Die meisten sind jung: Morbus Basedow tritt vorwiegend in der ersten Lebenshälfte, zwischen 20 und 50 Jahren, auf. Mehr als ein Drittel der Erkrankten ist jünger als 35 Jahre.

Schilddrüsenerkrankungen in dem Ausmaß, wie sie heute auftreten, sind ein modernes Phänomen und es hat sie in der Häufigkeit früher nicht gegeben. Sicherlich spielen Stress und Gene eine Rolle bei der Entstehung von Autoimmunerkrankungen. Und unser westlicher Lebensstil gilt nicht gerade als gesund.

Ich habe meine eigene Theorie, warum es so häufig junge Frauen trifft, oft sogar nach einer Schwangerschaft. Schauen wir uns die Krankheit und die Lebensumstände der Frauen doch einmal kurz genauer an…

Was bedeutet es denn, wenn die Schilddrüse ihre Hormonproduktion hochschraubt, wie das bei Morbus Basedow der Fall ist: Sie stellt dem Körper mehr Energie und damit Leistungsfähigkeit zur Verfügung. Die Krankheit sorgt im Körper dafür, dass Leistung über die Gesundheit und die echten Bedürfnisse des Körpers gestellt wird, bis hin zur Selbstaufgabe.

Wir Frauen leben in einer Leistungsgesellschaft, die uns hart fordert: Von überall her wird uns ein Frauenbild eingeprägt, das unserem urweiblichen Wesen nicht entspricht. Die immer schlanke, sportliche, perfekt gestylte, makellose Frau, die im Alleingang auch noch eine super Karriere hinlegt, gleichzeitig eine liebevolle Mutter ist und obendrein den Haushalt schmeißt gibt es leider in vielen Köpfen. Frauen, die versuchen dem zu entsprechen und gehen daran kaputt.

Und das ist meiner Meinung nach einer der Gründe, warum die Fallzahlen von Basedow so steigen. Denn ich kann aus eigener Erfahrung und aus den Gesprächen mit anderen Frauen sagen, dass zum Zeitpunkt der Erkrankung Lebensumstände geherrscht haben, in denen Frau sehr harte Ansprüche an sich selbst stellt, die sehr viel mit „Müssen“ und „Funktionieren“ und „Erwartungen entsprechen“ zu tun haben.